Wenn die Parkplatzwiese vor dem Max-Aicher-Stadion 45 Minuten vor Anpfiff nahezu ausgebucht ist, ist Derby-Time: Landesliga Südost, ESV Freilassing gegen den SB Chiemgau Traunstein – mehr geht zumindest im Berchtesgadener Land fußballtechnisch nicht. Und die Partie, die die Eisenbahner gegen die Kreisstädter 3:0 gewannen, dampfte sofort volle Kraft voraus, inklusive knüppelharter Entscheidung gegen die Gäste: Mihael Paranos hatte den so gut wie durchgebrochenen Max Streibl zweifelsfrei regelwidrig gestoppt, Referee Michael Krug zückte sofort Rot (4.). Doch zahlreiche weitere SBC-Akteure hatten sich auf der gleichen Linie befunden, hätten also noch eingreifen können. Verständlich also, dass Traunstein mit diesem Ausschluss haderte.
Die Szene brachte Intensivität und Brisanz in den Lokalhit, der nun gut 20 Minuten alles beinhaltete, was ein Fußballspiel haben kann – nur keine Tore. Zwar holte Tim Bageritz, der für Rejan Kryezi in die Startelf gerückt war, nach weitem Einwurf von Kapitän Simon Schlosser zum Seitfallzieher-Traumtor aus 16 Metern aus, doch nach Rücksprache mit Linienrichter Kian Demirel nahm Schiri Krug den Treffer (13.) zurück: „Ein Freilassinger war abseits im Sichtfeld des SBC-Torhüters gestanden“, so der Unparteiische. Der Name des Keepers: Stefan Schönberger, vor dieser Saison vom ESV nach Traunstein gewechselt.
Die Nickeligkeiten häuften sich, bei fast jeder Aktion wurde nun auf und neben dem Feld reklamiert und gestikuliert. Freilassing behielt den etwas kühleren Kopf, doch Streibl ließ sich, nachdem er provoziert worden war, zu einer Tätlichkeit gegen einen am Boden liegenden Traunsteiner hinreißen – ebenfalls Rot (23.). Besonders motiviert: Mark Kremer, vom SBC in die Grenzstadt gewechselt, marschierte gegen seine Ex-Teamkollegen immer wieder die linke Außenbahn Richtung Tor, wurde stets gestoppt, beschwerte sich, sah Gelb – eine von drei Verwarnungen für sein Team vor der 30-Minuten-Marke. Das „Tor des Monats“ hätte fast Daniel Aschauer erzielt: Zuspiel Kremer, 16-Meter-Seitfallzieher, Latte, Goalie „Schönes“ war noch dran (34.). Die Folge-Ecke brachte Schlosser rein, am zweiten Pfosten köpfte der heranrauschende Christian Niederstraßer völlig frei aus fünf Metern haarscharf vorbei (35.). Somit hatte die Partie bis dahin bereits mehr Top-Szenen und Aufreger als die gesamte ESV-Partie gegen Kirchheim drei Tage zuvor an gleicher Stelle. Referee Krug konnte die erhitzten Gemüter wieder etwas abkühlen, den vielen „Hinweisen“ seitens der Spieler begegnete er mit einem Schmunzeln: „Ich bin 33, ich brauche keine Hilfe mehr.“
Noch vor der Pause verletzte sich Jakob Trebesius (kam vom TSV Bad Endorf) an der Leiste, der Reichenhaller Arber Tafilaj wurde spontan ohne Aufwärmprogramm in die Elf von Spielertrainer Gentian Vokrri geworfen (41.) und machte eine gute Partie. Als sich dann die ersten der rund 750 Zuschauer zum Getränkestand aufmachten, fiel doch noch das Tor: Einwurf Schlosser, in der Mitte leitete der bei Standards wie gewohnt aufgerückte Innenverteidiger Georg Wieser die Kugel dezent an den zweiten Pfosten weiter, Aschauer stand goldrichtig und köpfte. Der gar nicht einmal so scharfe, jedoch platzierte Ball flog an den Innenpfosten und hinter die Linie – 1:0 (45.+2), Schönberger war noch dran, Pausenpfiff.
Der Treffer verlieh den Platzherren zum Seitenwechsel sichtlich mehr Spielruhe, das Leder wurde nun vorerst den weiter ungefährlichen Traunsteinern überlassen. Der in Sachen Toren heuer erstmals leer ausgehende Timo Portenkirchner hätte seine achte „Bude“ machen müssen, drosch die Niederstraßer-Flanke jedoch aus acht Metern in den Abendhimmel (57.). Augenblicke drauf schaltete der ESV nach einem Fehlpass der Gäste blitzschnell um, über Bageritz kam die Kugel zu Kremer, der sofort von der linken Seite in den entlegenen Winkel abzog – Traumtor, 2:0 (59.). Die Vorentscheidung vergab der eingewechselte Rodi Hussein mit seiner ersten Ballberührung aus spitzem Winkel (68.). Vier Minuten drauf war‘s passiert: Erneuter Distanz-Einwurf von Schlosser, mittig flog Aschauer heran und köpfte das sehenswerte 3:0 (82.) ins Kreuzeck.
Die Partie war durch, Traunstein fand sich mit der zweiten Saisonniederlage ab. Die Schlussphase musste Freilassing zu neunt fertigspielen, da sich Joker Markus Prechtl nach wenigen Einsatzminuten am rechten Knöchel verletzte und Coach Albert Deiter schon fünfmal gewechselt hatte. Bezeichnend: Erst jetzt gelang den Kreisstädtern der zweite Torschuss insgesamt, der erste wirklich gefährliche. Julian Höllen zwang ESV-Keeper Tom Unterhuber, der lange zuvor die Arbeitslosigkeit beantragt hatte, zur einzigen echten Parade (89.). Ohne Nachspielzeit ging der mitunter turbulente Lokalhit zu Ende. Aus der Heim-Kabine drang noch lange danach lauthals „Derby-Sieger, Derby-Sieger“ und „Spitzenreiter, Spitzenreiter“. Freilassing kann nun nach Punkten lediglich vom SV Aubing wieder von Position 1 verdrängt werden.
ESV Freilassing: Unterhuber, Niederstraßer (75. Prechtl), Wieser, Bischoff, Aschauer (77. Krein), Streibl, Kremer (66. Hussein), Bageritz (66. Kryezi), Schlosser (C, 81. Radosavljevic), Portenkirchner, Selimi
45+2' - 1:0 - Daniel Aschauer - 2. Saisontor - (Vorlage: Georg Wieser)
59' - 2:0 - Mark Kremer - 3. Saisontor - (Vorlage: Tim Bageritz)
72' - 3:0 - Daniel Aschauer - 3. Saisontor